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Donnerstag, 2. Januar 2014

Verstopfung oder die Kacke ist am dampfen



Psychiater werden oft mit Psychotherapeuten verwechselt. Oder umgekehrt. Psychiater sind jedoch keine Psychotherapeuten, die wöchentliche Therapieeinheiten anbieten und sich Unmengen an Zeit nehmen. Psychiater sind vielmehr Fachärzte, knallharte Diagnostiker, die gegebenenfalls auch Medikamente verschreiben und einem sagen was im Hirn oder der Seele so alles kaputt ist.
Mein Psychiater sieht irgendwie lustig aus. Wie ein kleiner Gnom. Vielleicht wegen der dicken Bollen Nase. Aber er schaut mich sehr konzentriert und mitfühlend an, sodass ich sofort wieder anfangen muss zu weinen. Zum Glück stehen die Kleenex Tücher direkt neben mir. Nach dem ich kräftig meine Nase geschnäuzt hatte, fragte er mich nach meinen aktuellen Lebensumständen, meiner gesamt Situation und meinem momentanen Befinden im speziellen.
Er erklärte mir sachlich, dass ein ausgeglichenes Leben auf mehreren Säulen basiert und bei mir in kurzer Zeit mehrere Säulen weggebrochen sind und somit mein Seelenleben aus dem Gleichgewicht geraten ist. Es sei völlig nachvollziehbar warum ich mich so fühle, wie ich mich eben fühle. Ich sei mit der gesamten Situation überfordert und stehe an einem Punkt, an dem mein Körper sozusagen Streikt. In Form von Panikattacken und einer mittelschweren Depression.
Während ich noch dabei war meine Diagnose zu verarbeiten, brabbelte der Gnom etwas von Serotonin, das aus irgendwelchen Gründen bei einer Depression nicht mehr vollständig produziert wird. Dadurch können Gefühle wie Wut, Trauer und Angst nicht mehr vernünftig weitergeleitet und recycelt werden und es kommt zu einem sogenannten Erregungsstau.
Ha wie wenn die Toilette verstopft ist und die Kacke sich stapelt und anfängt zu dampfen. Das würde die Knoten in meinem Kopf erklären und das ich meine Gefühle nicht mehr differenzieren konnte. In solchen Fällen werden häufig Antidepressiva verschrieben, die das mit dem Serotonin wieder in Ordnung bringen sollen.
Ich bin also verstopft und habe zudem Ängste. Na Super! 
Der Gedanke Tabletten zu nehmen hat mir am Anfang überhaupt nicht gefallen, jedoch hielt ich es an diesem Tiefpunkt für angebracht, eine medikamentöse Therapie zumindest in Erwägung zu ziehen.
Die Tabletten würden nicht abhängig machen und ich solle sie mindestens ein halbes Jahr nehmen. Zu Beginn der Einnahme kann es zu unangenehmen Nebenwirkungen kommen, die jedoch nach ein paar Tagen abklingen sollten. Die angstlösende Wirkung setzt meist sofort ein und auch der Antrieb wird in den ersten Tagen gesteigert. Nur die Stimmungsaufhellung lasse sich ein paar Wochen Zeit.
Als ich die Praxis verließ, war ich müde und erschöpft, aber auch irgendwie erleichtert, zu wissen dass ich mir das alles nicht nur eingebildet habe und es die einzig Richtige Entscheidung war, sich Hilfe zu  holen.





Überforderung



Vor circa einem Monat.

 
Als es nicht nur bei der einen Panikattacke blieb und ich stetig trauriger wurde, entschied ich, dass ich Hilfe mit mir selbst brauche. Dass ich das alles nicht mehr alleine schaffe.

 
Auch meine Arbeitskollegen schauten mich schon seit Tagen sehr sorgenvoll an und nahmen mich in den Arm als ich weinend zusammen brach. So konnte es nicht weiter gehen. Ich wollte einfach nicht mehr funktionieren. Mein Gerüst drohte unter mir zu zerbrechen.

 
Bei meinem Hausarzt konnte ich nur unter Tränen berichten, wie es mir seit Tagen ging. Die Tränen liefen von ganz alleine und wie nebenbei. Wie die Hintergrundmusik in einem Restaurant. Ich fühlte mich als sei ich nicht mehr Teil der Welt da draußen. Als würde ich alles mitbekommen, könnten die Menschen sehen, jedoch nicht zu ihnen gehen. Als wäre ich gefangen in mir selbst und hätte mich verirrt. Verirrt in einem riesigen Labyrinth.

 
Eine stationäre Unterbringung wurde mir geraten.

 
Wie gerne ich dieses verlockende Angebot angenommen hätte. Ein Ort an dem ich ungestört zerbrechen kann um mich wieder neu zusammen zu basteln. Ein sicherer Ort der Ruhe an dem ich nicht mehr einfach nur funktionieren muss. An dem ich keine Angst vor Tränen haben brauche.

 
Ich schaute meinen Arzt durch meinen Tränenschleier an und meinte mit müder Stimme das, dass nicht gehen würde- eine stationäre Therapie von mindestens 6 Wochen. Wegen meinem Job, der mich hält und mir das letzte Stück Struktur in meinem eigenen inneren Chaos gibt.

 
Das schien er irgendwie zu verstehen und schrieb mir eine Überweisung für einen Psychiater. Auch motivierte er mich, weiter nach ambulanten Therapeuten zu suchen. Es sei sehr schwierig einen guten Psychotherapeuten zu finden, der noch Kapazitäten hat.

 
Haha wem erzählte er das? Ich versuchte bereits seit über einem Monat einen Therapeuten zu finden und bekam am laufenden Band absagen. Anscheinend muss man erst ganz kaputt gehen um ein lukrativer Klient zu werden und in die engere Auswahl zu kommen. Aber wir sind hier nicht in irgendeinem beschissenen Casting! Ich möchte nicht erst in den Recall kommen, den das bedeutet noch lange nicht das man in Zukunft zusammen arbeiten wird. Ich brauche Sicherheit und das am besten Jetzt! Und nicht einen Wartelistenplatz bei dem man eventuell die Chance auf den Sieg hat- in 3 Monaten oder so.